Lerntherapie in der Schule? Unbedingt!
Ein glücklicher Zufall wollte es, dass ich meine Weiterbildung zur Lerntherapeutin pünktlich zum Start des Corona-Nachholprogramms in Sachsen beendet habe. So kam es, dass ich zunächst für 12 und im darauffolgenden Jahr für 15 Stunden vormittags an einer Grundschule in Dresden meine Tätigkeit beginnen konnte. Die Schulleitung war unglaublich nett und entgegenkommend, es war ein bisschen wie bei „Wünsch dir was“. Nur Einzelstunden? Ein eigener Raum? Teppich drin? Whiteboard? Alles kein Problem.
Es kommt mir sehr entgegen, vormittags arbeiten zu können, da ich selbst vier Kinder habe, davon eins mit Förderschwerpunkt Lernen, wodurch schon allein zwei Nachmittage mit Logopädie und Ergotherapie belegt sind.
Das Förderprogramm „Aufholen nach Corona“, aus dem meine Stelle finanziert wurde, ist mittlerweile ausgelaufen. Andere Wege der Finanzierung mussten gefunden werden, was leider auf eine Halbierung meines Stundenumfangs hinauslief. So bleibt mir nur noch eine kleine Anzahl an SchülerInnen, die ich durchs Schuljahr begleite.
Wie sieht meine Arbeit an der Schule konkret aus? Diese Frage möchte ich mit der Schilderung eines typischen Tagesablaufs beantworten.
Ich stehe morgens um 5:30 Uhr auf, wecke die Kinder, fülle die Brotdosen und flechte die Zöpfe. Sobald die Kinder aus dem Haus gekehrt sind, mache ich mich tagfein und gehe mit dem Hund. Danach packe ich meine Sachen in meine Fahrradtasche und fahre umweltschonend mit dem Rad zur Schule. Da ich meine Materialien selbst mitbringe, ist die Tasche immer gut gefüllt. Ich hole jedes Kind in seinem Klassenzimmer ab und während wir gemeinsam zu meinem Raum gehen, ist bereits Zeit und Gelegenheit, zu quatschen und einzuschätzen, in welcher Stimmungslage und auf welchem Energielevel das Kind aktuell ist. In der Lerntherapiestunde fördere ich jedes Kind individuell entsprechend seinem Leistungsstand: Rechnen, lesen, Rechtschreibung, aber auch Selbstwertstärkung, Merkstrategietraining, Selbstinstruktionstraining, alles ist dabei. Natürlich darf auch das Spielen nicht zu kurz kommen.
Der Raum bietet viel Platz und eignet sich so auch perfekt für das Lernen in Bewegung. Im Anschluss steht noch ein Gespräch mit einer Lehrerin auf dem Plan. Kurze Wege und die Möglichkeit, ohne großen Aufwand Informationen auszutauschen, Fragen zu klären oder Tipps an die Hand zu geben sind definitiv ein großer Vorteil von Lerntherapie an der Schule. Die großen Pausen nutze ich in der Regel zur Dokumentation der Stunden. Nach meiner letzten Stunde sause ich nach Hause und esse etwas, gehe mit dem Hund, Zeit zum Durchatmen.
Mittlerweile ist es Nachmittag. Eine Mutter hat geschrieben und möchte einen Termin ausmachen, ich beantworte die Mail, danach bereite ich die Stunden für den nächsten Tag vor und werte einen Lesetest aus. Meine Kinder trudeln allmählich ein und die Familienzeit beginnt. An zwei Nachmittagen in der Woche gebe ich noch Lerntherapiestunden in meiner Wohnzimmerpraxis. Dann wird schon Abendessen gemacht, es gibt igitt das schmeckt mir nicht aus Resten vom Vortag, weil ich es nicht geschafft habe einzukaufen. Am Abend werde ich doch noch mal zum Laminiertier und bereite ein Spiel für den nächsten Tag vor oder tausche mich mit meinen Kolleginnen vom Lerntherapeutennetzwerk aus.
Du möchtest mehr über das Lerntherapeutennetzwerk erfahren? Dann klick hier:
https://www.lerntherapie-vs.de/lerntherapeuten-netzwerk/
Das Arbeiten an einer Schule hat aus meiner Sicht viele Vorteile. Da wären zum einen die persönlichen, wie Zeit für die eigenen Kinder am Nachmittag. Zum anderen sehe ich aber auch zahlreiche Vorteile für die Kinder und die Schule:
Die Liste der Vorteile ließe sich noch weiter fortsetzen. Aber auch über die Nachteile in meinem Fall möchte ich jedoch auch nicht schweigen.
Doch die Erfahrung, die ich gerade zu Beginn meiner Lerntherapeuten-Laufbahn sammeln konnte und der Spaß an der Sache wiegt die Nachteile (noch) auf.
Sehe ich Lerntherapie in Zukunft als festen Bestandteil der Schullandschaft? Unbedingt, aber nicht bedingungslos. Integrative Lerntherapie bietet eine qualitativ hochwertige und für Schulen wertvolle Leistung durch meist hervorragend qualifizierte Fachkräfte. Diese Leistung wird es nicht zum Nulltarif geben.
Liebe Bettina,
vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht und Tagesablauf an der Schule.
Ich kann deinen Argumenten für eine lerntherapeutische Tätigkeit an der Schule zu 100% zustimmen und auch die sog. „Nachteile“ bzw. Haken entsprechen meinen bisherigen Erfahrungen. Allerdings werde ich mittels des digitalen Kommunikationsnetzes der Schule verstärkt in die Abläufe und Wochenpläne eingebunden, so dass die Aktivtäten, Wochenausflüge bereits im Vorfeld digital angekündigt werden.
Ich unterstütze zu 100 % die Ansicht, dass Lerntherapie mehr in der Schule präsent und für alle Beteiligten „selbstverständlich“ sein sollte!
Liebe Grüße und weiterhin viel Erfolg!
Semra Mutlu aus Frankfurt am Main
Danke für den Einblick in deine Tätigkeit als Lerntherapeutin an einer Schule. Es ist wahnsinnig bereichernd an einer Schule zu arbeiten, vormittags sind die Schüler in der Regel viel aufmerksamer und profitieren enorm von der lerntherapeutischen Förderung. Aber, wie du schreibst- es ist noch viel zu tun, damit bewusst wird, welche tolle Arbeit wir Lerntherapeuten leisten und dass man dies auch entsprechend vergüten muss.
Wer sich für Lerntherapie in Schule interessiert, findet hier weitere Beispiele aus ganz Deutschland:
https://www.lerntherapie-vs.de/lerntherapie-in-der-schule/praxisbeispiele-lerntherapie-in-schule/
Bettinas Beitrag ist natürlich auch dabei.
Lieben Gruß
Susanne